Ehrengäste in der Metropolregion
Andrea Arnold, Bettina Brokemper, Claude Lelouch und Guillaume Nicloux auf dem 70. IFFMH
Zum 70. Jubiläum verleiht das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg (IFFMH) erstmals den Grand IFFMH Award. Die diesjährigen Auszeichnungen gehen an die Regisseur*innen Andrea Arnold und Guillaume Nicloux. Mit Hommagen werden die Produzentin Bettina Brokemper und der Regisseur Claude Lelouch geehrt. Alle vier werden in Mannheim und Heidelberg ihre Filme vorstellen und Masterclasses geben.
Vier außergewöhnliche Ehrengäste bereichern die Jubiläumsausgabe des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg (IFFMH).
Mit dem erstmals vergebenen Grand IFFMH Award (dotiert mit 10 000 Euro) und der Wiedereinführung von Hommagen ehrt das IFFMH anlässlich seiner 70. Ausgabe vier herausragende Persönlichkeiten des internationalen Filmgeschehens. Deren Werk und Wirken prägt auf gänzlich unterschiedliche Weise das gegenwärtige Kino und repräsentiert gleichzeitig die Vielfalt des IFFMH. Mit den Regisseur*innen Andrea Arnold, Guillaume Nicloux und Claude Lelouch sowie der Produzentin Bettina Brokemper empfängt das Festival Gäste in der Metropolregion, die eines eint: Ihre Filme fordern Sehgewohnheiten heraus, überraschen mit eigenwilligen Erzählperspektiven und reflektieren das eigene Medium.
Andrea Arnold und Guillaume Nicloux: Der Blick auf die Conditio humana
Andrea Arnold und Guillaume Nicloux sind zwei der eindrücklichsten Filmschaffenden der Gegenwart und die beiden diesjährigen Preisträger*innen des Grand IFFMH Award.
Oscargewinnerin Andrea Arnold stellt ihre Protagonist*innen nicht aus, sondern ergründet in ihrem eigenen pop-poetischen Sozialrealismus die Nöte und Sehnsüchte der Arbeiterklasse, in der sie selbst verwurzelt ist. Niemals trostlos, aber immer realistisch sind die Welten, in denen ihre Figuren fest verankert sind: die klaustrophobischen Wohnungen der Sozialbausiedlungen von Dartford und Essex in ›Wespen‹ (2003) und ›Fish Tank‹ (2009), der Hochhauskomplex in ›Red Road‹ (2006), die Hochebenen Yorkshires in der Brontë-Adaption ›Sturmhöhe‹ (2011) und die amerikanischen Highways in ›American Honey‹ (2016). In ihren intimen Porträts, zu denen auch ihr erster Dokumentarfilm ›Cow‹ (2021) zählt, fragt Arnold stets nach dem Raum für weibliche Perspektiven in der Welt.
Guillaume Nicloux‘ so diverses wie radikales Werk nimmt sich im Stile Kubricks immer wieder unterschiedlichster Genres an und transzendiert sie. Seine Filme beziehen sich aufeinander und experimentieren mit Subgenres des Thrillers, verbunden durch einen Hang zum Mysteriösen: In ›Eine ganz private Affäre‹ (2002) überführt er den Film Noir ins neue Jahrtausend. ›Im Schatten der Wälder‹ (2003) ist die Wiederbelebung des Policier aus weiblicher Perspektive und ›Wächter des Lebens‹ (2006) ist Nicloux' Antwort auf Mysterythriller. In den 2010er-Jahren wird Nicloux noch unberechenbarer und springt vom Historienfilm (›Die Nonne‹, 2013) über die Mockumentary (›The Kidnapping of Michel Houellebecq‹, 2014) ins Death Valley, um einen Toten auferstehen zu lassen (›Valley of Love‹, 2015). Mit ›To the ends of the world‹ (2018) schlägt er eine Brücke zwischen Zweitem Weltkrieg und Indochina, zwischen Holocaust und anderen Verbrechen an der Menschlichkeit. Dabei generiert er Bilder eines feuchttropischen Fiebertraums in betörender Schönheit.
Bettina Brokemper und Claude Lelouch: Kino der Extreme und der Liebenden
In zwei Hommagen würdigt das IFFMH zudem das Lebenswerk der Branchengrößen Bettina Brokemper und Claude Lelouch. Brokempers Projekte rücken das Ungesehene in den Blick und spüren der utopisch anmutenden Frage nach, wie man eine bessere Gesellschaft leben kann. Bereits der erste Film ihrer Produktionsfirma Heimatfilm, ›Falscher Bekenner‹ (2005) von Christoph Hochhäusler, wurde zum einschlagenden Erfolg. Semih Kaplanoğlus Berlinale-Gewinner ›Bal – Honig‹ (2010), Margarethe von Trottas Quasi-Biografie ›Hannah Arendt‹ (2012), der mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnete ›Wild‹ (2016) von Nicolette Krebitz und Jan Bonnys Locarno-Wettbewerbsbeitrag ›Wintermärchen‹ (2018) führen den Erfolgskurs fort und zeigen die thematische Bandbreite, mit der Brokemper agiert. Bekannt ist sie ebenfalls für ihre langjährige Zusammenarbeit mit Lars von Trier.
Das mittlerweile 50 Langfilme umfassende Werk von Regie-Legende Claude Lelouch handelt von den Grundformen menschlichen Zusammenseins. Seine Filme sind Liebesgeschichten wie aus dem Leben gegriffen. Gleichzeitig stellt er die Mittel und Ebenen der filmischen Fiktion immer wieder zur Schau und bricht mit ihnen. Sein Klassiker ›Ein Mann und eine Frau‹, mit dem er 1966 über Nacht einen Welterfolg feierte, vereint thematisch wie ästhetisch die Quintessenz seines Werks. Mit ›Love is Better Than Life‹ (2021) stellt Lelouch seinen fünfzigsten Film als internationale Premiere auf dem IFFMH vor. Der Film fungiert gleichzeitig als offizieller Abschluss der diesjährigen Ausgabe.
Andrea Arnold, Bettina Brokemper, Claude Lelouch und Guillaume Nicloux werden jeweils in einer Masterclass über ihr Werk und ihre Kinovisionen sprechen.
Die Ehrengäste sind an folgenden Tagen in Mannheim und Heidelberg anwesend:
Andrea Arnold: 13.-14.11.
Bettina Brokemper: 11.-13.11.
Claude Lelouch: 19.-21.11.
Guillaume Nicloux: 15.-16.11.
Das 70. IFFMH findet vom 11.-21. November statt. Das gesamte Festivalprogramm wird Ende Oktober veröffentlicht.