Retrospektive 2023
Method Acting
Marlon Brando, Kim Stanley, Paul Newman, Joanne Woodward, Montgomery Clift, Dustin Hoffman, Ellen Burstyn, Robert De Niro, Faye Dunaway, Jack Nicholson, Leonardo DiCaprio oder Daniel Day-Lewis - die Geschichte des Kinos ist geprägt durch herausragende Leistungen von Schauspieler*innen, die in der Tradition des sogenannten Method Actings stehen. Die diesjährige Retrospektive rückt diese Kunst des Schauspiels in den Mittelpunkt und zeigt, wie das System der Method nicht nur das Kino veränderte, sondern auch unsere Vorstellung davon, was eine gute Schauspielleistung ausmacht.
Die Wurzeln der Method reichen in das kaiserliche Russland zurück. Dort entwickelte Konstantin Stanislawski eine Ausbildung für Schauspieler*innen, in der die „Kunst des Erlebens“ (und nicht die „Kunst der Darstellung“) im Mittelpunkt stand. Ab den 1930er-Jahren führten einige seiner Schüler*innen seine Lehre in den USA fort. Gemeinsam mit einer Generation junger Schauspieler*innen machten sie sich daran, das Schauspiel grundlegend zu revolutionieren. Die expressive Theatralik sollte dem Naturalismus weichen, zentrales Ziel war die Wahrhaftigkeit der Gefühle. Zu diesem Zweck sollte man lernen, auf die eigenen Gefühle und Erfahrungen zurückzugreifen. Aus diesen gelebten Erfahrungen galt es dann, die Inspiration für die Rolle zu schöpfen.
Ausgehend vom Boxerdrama ›Jagd nach Millionen‹ (1947) zeigt die diesjährige Retrospektive einige der wichtigsten Werke des Method-Acting-Kinos. In einer seiner bewegendsten Rollen verkörpert Marlon Brando in ›Die Faust im Nacken‹ (1954) einen Hafenarbeiter, der sich gegen korrupte Gewerkschaftler stellt; Montgomery Clift und Marilyn Monroe schleppen sich als gebrochene Menschen durch John Hustons ›The Misfits‹ (1960) und Rod Steiger spielt in ›Der Pfandleiher‹ (1964) auf unvergessliche Weise einen Holocaust-Überlebenden, der plötzlich in New York mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Einen besonderen Schwerpunkt der Retrospektive bilden Schauspielerinnen, die viel zu oft im Schatten ihrer männlichen Kollegen wie Brando, Clift oder Newman standen. Dabei übten Joanne Woodward, Sally Field, Kim Stanley oder Barbara Loden mit ihren Auftritten auf der Bühne und im Kino einen mindestens ebenso großen Einfluss aus wie ihre männlichen Kollegen.
Ein zweites Boxerdrama, Martin Scorseses ›Wie ein wilder Stier‹ (1980), ist der chronologische Schlusspunkt des Programms. Mit Robert De Niros legendärer Leistung (um die Rolle zu spielen, nahm er 26 Kilogramm zu) endete das goldene Zeitalter der Method. Vor allem aber waren dessen Grundprinzipien mittlerweile weltweit in die Ausbildung von Schauspieler*innen eingeflossen. Bis heute sind sie daraus nicht mehr wegzudenken.
Die Filme der Retrospektive 2023 im Überblick:
›Body and Soul‹ Regie: Robert Rossen, USA 1947
›Jagd nach Millionen‹
›A Place in the Sun‹ Regie: George Stevens, USA 1951
›Ein Platz an der Sonne‹
›On the Waterfront‹ Regie: Elia Kazan, USA 1954
›Die Faust im Nacken‹
›The Defiant Ones‹ Regie: Stanley Kramer, USA 1958
›Flucht in Ketten‹
›The Misfits‹ Regie: John Huston, USA 1961
Misfits - nicht gesellschaftsfähig‹
›The Pawnbroker‹ Regie: Sidney Lumet, USA 1964
›Der Pfandleiher‹
›Seance on a wet afternoon‹ Regie: Bryan Forbes, UK 1964
›An einem trüben Nachmittag‹
›Rachel, Rachel‹ Regie: Paul Newman, USA 1968
›Die Liebe eines Sommers‹
›Wanda‹ Regie: Barbara Loden USA 1970
›The Godfather Part II‹ Regie: Francis Ford Coppola, USA 1974
›Der Pate - Teil II‹
›Norma Rae‹ Regie: Martin Ritt, USA 1979
›Raging Bull‹ Regie: Martin Scorsese, USA 1980
›Wie ein wilder Stier‹