Preisträgerin in 2022 war die französische Regisseurin und Drehbuchautorin Alice Winocour. Mit ›Proxima‹ und ›Paris Memories‹ waren die beiden jüngsten Filme aus ihrem Werk auf dem IFFMH zu erleben. Und nicht nur das: Sie erlaubte uns in einer für alle Interessierten offenen Gesprächsrunde, unserer Masterclass, Einblicke in ihr Schaffen und half uns, ihre kinematografischen Visionen zu deuten.
Alice Winocour
ausgezeichnet mit dem Grand IFFMH Award 2022
ALICE WINOCOUR
Sie schaut auf Frauen, wie es nur Frauen können; mit analytischer Schärfe und unendlicher Empathie erkundet sie das Muttersein einer Astronautin und das Trauma eines Attentats; sie arbeitet mit einigen der beeindruckendsten Schauspieler*innen ihrer Generation, von Virginie Efira und Eva Green über Vincent Lindon, Diane Kruger, Matt Dillon, Lars Eidinger und Benoît Magimel bis zu Matthias Schoenaerts. 2016 wird sie für einen Oscar nominiert mit ›Mustang‹, dessen Co-Autorin sie ist. Mit nur vier Spielfilmen hat sich Alice Winocour als eine der spannendsten europäischen Regisseurinnen etabliert.
Intime Einblicke in die Psychen ihrer Figuren und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Erfahrung zeichnen ihr Werk aus. Unablässig umkreist sie Fragen nach Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit und nähert sich ihren Geschichten über die Details: “Ich wollte mit dem Blick einer Insektenforscherin den Kampf dieser Frauen einfangen”, sagt Winocour über ihren Ansatz bei ihrem Debütfilm ›Augustine‹ (2012) über ein gelähmtes Dienstmädchen, das im Krankenhaus den Ärzten ausgeliefert ist. Dieser Ansatz zieht sich bis heute durch ihr Werk. Im Thriller ›Der Bodyguard‹ (2015) offenbart sie die Unmöglichkeit eines Soldaten, sich nach dem Krieg wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Mit ›Proxima‹ (2019) hat sie ein ganz und gar untypisches Weltraum-Drama geschaffen: Der größte Wunsch von Astronautin Sarah (Eva Green) geht in Erfüllung; sie wurde für eine Raummission ausgewählt. Die Vorbereitungszeit entpuppt sich aber immer mehr als eine Prüfung: Die harten physischen Trainings sind nichts gegen die psychischen Herausforderungen. Denn Sarah ist Mutter und muss ihre Tochter Stella für ein Jahr auf der Erde zurücklassen.
Mit ihrem neuesten Film ›Paris Memories‹ (2022), der auf dem IFFMH seine Deutschlandpremiere feiert, schließt Winocour nahtlos an ihr bisheriges Schaffen an und wirft die Frage auf, wie traumatische Erlebnisse erinnert und verarbeitet werden können.